Das erste Mal sticht das Segelboot „Mare Liberum 2“ zu einer Mission in See. Die sechsköpfige Crew des Berliner Vereins Mare Liberum hat heute Morgen den Hafen von Mytilini auf Lesbos verlassen. Mit der 15 Meter langen Segelyacht setzt die Crew direkten Kurs auf die Insel Samos, wo ein mehrtägiger Aufenthalt geplant ist, bevor die Tour weiter nach Chios führt. Auf den jeweils rund 100 Kilometer voneinander entfernt liegenden Inseln ist das Ziel der Mission der Austausch mit schutzsuchenden Menschen und Solidaritätsnetzwerken. Mare Liberum will diese Beziehungen stärken und gleichzeitig die Kenntnisse über das erweiterte Einsatzgebiet in der Ägäis vertiefen.
Bekannt ist Lesbos als Insel an der EU-Grenze, die viele Geflüchtete zu erreichen versuchen, sowie für die unmenschlichen Bedingungen in den von der EU finanzierten Hotspot-Camps. Mare Liberum engagiert sich seit drei Jahren für Geflüchtete und ihre Rechte auf Lesbos. Die Lebensbedingungen für Schutzsuchende auf den Inseln südlich von Lesvos sind in der breiten Öffentlichkeit weit weniger bekannt. Mare Liberum wird über die Umstände vor Ort und die Menschenrechtssituation in der Ägäis berichten.
„Als Crew mit Reisefreiheit und EU-Pässen geniessen wir das Privileg von Bewegungsfreiheit, während wenige Meilen weiter Menschen genau um diese beschnitten werden. Es ist unerträglich, von illegalen Pushbacks zu wissen und zu beobachten, wie Staaten Menschen brutal um ihre Rechte beschneiden und sie degradieren. Auch auf Samos und Chios existieren EU-Hotspot-Lager, wo Geflüchtete gezwungen werden, unter katastrophalen Bedingungen zu Leben. Unsere Zeit nutzen wir, um darauf aufmerksam zu machen und unsere Forderungen zu stärken: Das menschenunwürdige EU-Hotspot-System muss abgeschafft und Pushbacks umgehend gestoppt werden. Wir fordern sichere Fluchtwege und humanitäre Korridore“, so Jelka Kretzschmar, Crewmitglied an Bord der Mare Liberum 2.
Über die Ergebnisse dieser Recherche-Reise wird Mare Liberum täglich auf Ihren Social-Media-Kanälen sowie auf mare-liberum.org berichten. Für Presseanfragen steht die Crew gern bereit. Sie erreichen die Besatzung unter presse@mare-liberum.org.
Hintergrund:
Das Team von Mare Liberum dokumentiert Fakten und veröffentlicht regelmäßig Berichte und Ergebnisse seiner Menschenrechtsbeobachtung in der Ägäis. Der in der letzten Woche erschienene Report (Pushback Quarterly) zeigt die drastische Zunahme der Pushback-Praxis während der letzten Monate. Tatsächlich ist die illegale Praxis der griechischen Küstenwache und der EU-Grenzschutzagentur Frontex die Ursache dafür, dass in den vergangenen Monaten so wenig Flüchtende die griechischen Inseln über das Ägäische Meer erreichten. Im Juni wurde neun von zehn Flüchtenden das Recht auf einen Asylantrag genommen. 1.115 Personen wurden unter Gewalt und Demütigungen, oft unter Lebensgefahr, widerrechtlich über die Grenze zurückgedrängt, während nur 84 Personen die griechischen Inseln und damit die EU erreichten.
Mindestens 100 Fälle von illegalen Pushbacks vor Lesbos sind im laufenden Jahr bekannt geworden. Da die meisten Menschen versuchen, nach Lesbos überzusetzen, sind die Zahlen der Ankünfte und Pushback-Fälle dort am höchsten.
Für die letzten sechs Monate sind uns 12 Pushback-Fälle vor Samos, in denen 613 Menschen das Recht auf Asyl verweigert wurde, und fünf Fälle mit 70 Menschen vor Chios bekannt. Auf der Insel Chios kamen laut UNHCR im Jahr 2021 bisher nur 79 Menschen nach ihrer Flucht über das Meer an, auf Samos waren es sogar nur 27 Menschen. Die Unterbringung von ankommenden Menschen in den Lagern auf den Inseln ist den menschenunwürdigen Zuständen im ehemaligen Moria ähnlich. Die von der EU verfolgte Politik der Abschreckung wird durch illegale Pushbacks und menschenunwürdige Lager in der ganzen Region erbarmungslose Realität.