Die MARE LIBERUM bekommt einen neuen Auftrag. Wir übergeben unser Schiff an die Aktivist:innen von Zusammenland, die den Kutter künftig unter dem Namen MARE*GO betreiben werden.
Wir freuen uns, dass das Schiff nun einen neuen Auftrag bekommt. Vier Jahre waren wir in der Ägäis im Einsatz, unterbrochen durch Blockaden sowie Einschüchterungs- und Kriminalisierungsversuche von staatlicher Seite. Auch Drohungen mussten wir aushalten. Wir haben uns davon nie abhalten lassen, unsere Arbeit fortzusetzen. Letztlich haben die repressiven Gesetze in Griechenland den Einsatz des Schiffes in der Ägäis unmöglich gemacht. Woanders kann es jetzt mehr für Menschen auf der Flucht leisten.
Hanno Bruchmann, Vorstandsmitglied von Mare Liberum
Neuer Einsatz: Zurück in die zivile Flotte
Zusammenland gUG ist die gemeinnützige Trägerin zahlreicher sozialer Projekte und Initiativen. Das reicht von Workshops und Seminaren, über kreative Konzeptionalisierung und Organisationsmanagement für soziale Träger:innen, über technische Lösungsorientierung und yogische Gesundheitsförderung. Zusammenland konnte bereits den Einsatz der Rettungsschiffe Rise Above und Aurora SAR erfolgreich unterstützen.
Wir danken Mare Liberum, dass sie uns das geschichtsträchtige Schiff überlassen. Es ist über die Jahre ein wichtiges Symbol des Widerstandes gegen das rassistische Grenzregime der Europäischen Union geworden. Wir wollen dieses Symbol erhalten und wieder zurück in die aktive zivile Flotte bringen
Raphael Reschke, Fährmann von Zusammenland
Updates zu dem neuen Projekt werden in den kommenden Monaten bekannt gegeben. Informationen zum genauen Einsatz des Schiffes findet ihr dann hier.
Solidarität und Widerstand
Das Schiff wurde im Jahr 2014 von Sea-Watch gekauft und im Jahr 2015 als erstes Schiff der zivilen Seenotrettungsflotte erfolgreich für die zivile Seenotrettung im zentralen Mittelmeer eingesetzt. Im Jahr 2017 startete die damalige SEA-WATCH 1 eine neue Operation zur Beobachtung der Menschenrechte in der Ägäis. Ein Projekt, das mit demselben Schiff unter neuem Namen von uns als Mare Liberum ab dem Jahr 2018 fortgesetzt wurde. Das Schiff sollte an der hochmilitarisierten EU-Außengrenze zwischen der Türkei und Griechenland präsent zu sein und die Menschenrechtsverbrechen und Grenzgewalt der griechischen Küstenwache, Frontex und NATO gegen Menschen auf der Flucht dokumentieren und durch unsere generelle Präsenz verhindern.
In vier Jahren Einsatz in der Ägäis wurde immer wieder versucht, unsere Arbeit zu verhindern. Ob durch Einschüchterungsversuche und Schikanen durch die griechische Küstenwache, Festhalteverfügungen durch das deutsche Verkehrsministerium oder strafrechtliche Ermittlungen aus fadenscheinigen Gründen der griechischen Behörden gegen unsere Crew und Mitglieder unseres Vereins.
Letztlich hat ein repressives Gesetz aus dem Jahr 2021 den Einsatz von Monitoring- und Seenotrettungsschiffen in Griechenland praktisch unmöglich gemacht. Die neuen Regelungen würden uns zwingen uns bei den griechischen Behörden zu registrieren und zertifizieren zu lassen und den Anweisungen der griechischen Küstenwache stets Folge zu leisten, was unsere Arbeit mit dem Schiff als Beobachterin der Menschenrechtsverbrechen ebendieser unmöglich macht. Bei Zuwiderhandlung drohen hohe Geldstrafen und Gefängnis. Dieses Risiko für unsere Crews ist für uns nicht verantwortlich tragbar.
Menschenrechtsverbrechen als Regelfall
Diese systematische Repression und Kriminalisierung sind Teil einer Strategie der griechischen Behörden, die Migration nach Griechenland zu beschränken und Menschenrechtsverletzungen zu vertuschen. So sind brutale und illegale Pushbacks unter der Anwendung von Demütigung, Gewalt und Folter seit 2020 der neue Modus Operandi der griechischen Behörden gegenüber Schutzsuchenden geworden – ohne jegliche Konsequenzen. Die wenigen Menschen, die es schaffen, die griechischen Inseln zu erreichen, sehen sich einer systematischen Kriminalisierung ausgesetzt. Abseits der Öffentlichkeit, ohne Zugang zu angemessenem Rechtsbeistand und Unterstützung, werden in Griechenland jedes Jahr Hunderte von Menschen wegen angeblichen Schmuggels verurteilt.
Wir haben neue Wege gefunden, die illegalen Pushbacks und die Grenzgewalt gegen Menschen auf der Flucht, auch ohne ein Schiff zu skandalisieren und darüber zu berichten. Seit Anfang des Jahres 2022 dokumentieren wir die Situation in der Ägäis von der Küste aus. Dennoch ist es ein Skandal, dass keine zivilen Monitoring-Organisationen oder Rettungsschiffe zwischen der Türkei und Griechenland mehr operieren können – denn Menschenrechtsbeobachtungen in der Ägäis sind wichtiger denn je, jetzt wo die brutalen Pushbacks zu einer vermeintlichen Normalität in der Ägäis geworden sind.
Auch wenn wir die Ägäis nicht mehr mit unsererem Schiff MARE LIBERUM überwachen, so ist es doch eine große Genugtuung zu wissen, dass sie auch weiterhin eine wichtige Rolle in der Solidarität mit den Menschen auf der Flucht spielen wird.