Während die Situation in den Lagern immer noch mehr als kritisch ist und sich mit trauriger Sicherheit durch den kommenden Winter noch verschlimmern wird, führt Griechenland seine illegalen Pushbacks weiter fort und das zu bisher unerreichten Ausmaßen. Der griechische Minister für Migration und Asyl, Notis Mitarakis hat stolz verkündet, dass die Ankünfte per Boot auf den griechischen Inseln um 96% gesunken seien gegenüber dem Wert des Vorjahres.1 Dass dies nicht aufgrund einer gesunkenen Zahl derer geschah, die überhaupt zu fliehen versuchen, sondern an der extrem kriminellen, brutalen und systematisierten Praxis der Pushbacks durch die griechische Küstenwache unter Beteiligung von NATO und Frontex liegt, hat er beflissentlich verschwiegen. Allein im Oktober wurden bisher 841 Menschen in 23 Vorfällen Opfer von Pushbacks. Zu dieser erschreckend hohen Zahl kommt, dass diejenigen Vorfälle, von denen Kameraaufnahmen veröffentlich werden konnten, ein verstörendes Maß an perfider Gründlichkeit zeigen, gepaart mit einer absoluten Geringschätzung für menschliches Leben. Es scheint eine nahezu pedantische Motivation dazu zu herrschen, jedes einzelne Boot der Flüchtenden daran zu hindern, europäischen Boden zu betreten – bei völliger Akzeptanz der inhumanen Folgen.

In neun dieser Vorfälle wurden Rettungsinseln genutzt und es scheint, als würde das Verhalten der Küstenwache an Brutalität zunehmen. Hier einige Beispiele:

– Am 4. Oktober wurde eine fünf köpfige Familie Opfer eines Pushbacks, bei dem sie mit einer Rettungsinsel auf dem Meer ausgesetzt wurden. Eines der Familienmitglieder, ein mehrfach eingeschränkter Mann, musste mit einem Kran aus der Rettungsinsel geborgen werden, als die türkische Küstenwache versuchte, die Familie zu retten.2

– Am 18. Oktober wurden 59 Menschen in zwei Rettungsinseln gezwungen, die jeweils eigentlich auf eine Kapazität von nur 10 Menschen ausgerichtet sind. Die Inseln waren derart überfüllt, dass einige Menschen ins Wasser springen mussten, um die Rettungsinseln vor dem Sinken zu bewahren. Leider konnten sie es dennoch nicht vollständig verhindern. Zum Glück konnten alle Menschen von der türkischen Küstenwache gerettet werden.3

– Am 21. Oktober nahmen im bisher größten registrierten Pushback die griechischen Behörden 197 Menschen an Bord ihrer Schiffe, transportierten sie zu einem anderen Ort und setzten sie in 7 Rettungsinseln nahe Rhodos und Simi aus. Die Beamt:innen machten Berichten zu Folge von schwerer Gewalt Gebrauch.4

Insbesonders da es Beweise gibt, dass sowohl Frontex als auch NATO aktiv in Pushbacks involviert oder zumindest währenddessen vor Ort präsent waren5, fordern wir die Europäische Union auf, diese Praktiken von traumatisierenden Menschenrechtsverletzungen auf dem Meer umgehend einzustellen und die Vorkommnisse auf in der Ägäis konsequent aufzuklären.

© Photo: Aegean Boat Report

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