Pushbacks in der Ägäis nehmen drastisch zu. Trotz der wiederholten Dokumentation von Folter und Gesetzesverstößen finden Pushbacks in der Ägäis nicht nur weiterhin statt, sondern steigern sich in Bezug auf Gewalt und Anzahl.
In den letzten drei Monaten hat die Zahl der Pushback-Vorfälle in der Ägäis zugenommen. Im September 2021 fanden wir Informationen zu 91 Fällen, in denen 2.289 Menschen ihr Recht auf Asyl in Europa verweigert wurde. Das ist die höchste Zahl, die wir seit März 2020 verzeichnet haben. Normalerweise zählen wir durchschnittlich 35 Pushbacks pro Monat in der Ägäis, aber allein in den letzten drei Monaten haben wir 198 dokumentierte Vorfälle registriert, bei denen mehr als 4.900 Menschen illegal in türkische Gewässer zurückgedrängt wurden.
Im August berichteten wir über einen Anstieg auf etwa 63 dokumentierte Pushbacks – zu diesem Zeitpunkt war dies bereits die höchste Zahl von Pushbacks in den letzten 1,5 Jahren [1]. Die Tatsache, dass die Zahl der Zurückweisungen in den letzten Monaten weiter gestiegen ist, zeigt, dass die Gewalt an den Grenzen in der Ägäis, der Menschen auf der Flucht ausgesetzt sind, weiter eskaliert.
Neben der hohen Zahl von Pushbacks in der Ägäis gibt es noch einige andere besorgniserregende Entwicklungen. Im Laufe des Sommers hat die türkische Küstenwache in der Nähe von Samos wiederholt Rettungsinseln oder zuvor zurückgedrängte Boote gefunden. Während die meisten Überfahrten und Pushbacks vor Lesbos stattfanden, gibt es momentan etwa ebenso viele Fälle rund um die Insel Samos.
Auch im Ionischen Meer wurden einige Pushback-Fälle registriert. Eine Route, die genutzt wird, um die Ägäis und Griechenland zu umgehen und von der Türkei direkt nach Italien zu gelangen. Diese Route wird schon seit langem befahren, aber erst jetzt wurden wir auf wiederkehrende Pushback-Fälle aufmerksam.
Eine weitere besorgniserregende Entwicklung ist die zunehmende Sichtbarkeit und Skrupellosigkeit von Pushbacks. Schutzsuchende werden ohne Rettungsinseln oder Boote ins Wasser geworfen. Nach Angaben der türkischen Küstenwache wurden in den letzten Monaten 44 Personen aufgegriffen, die ins Wasser geworfen wurden und denen es gelang, an die türkische Küste zu schwimmen.
Pushbacks und andere Formen der Gewalt an den Grenzen sind Teil des anhaltenden Krieges der EU gegen Menschen auf der Flucht. Auch wenn Pushbacks hauptsächlich von griechischen Behörden durchgeführt werden, sollte dies nicht von der politischen Verantwortung ablenken, die die Europäische Union bei den schrecklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit an ihren Außengrenzen trägt.
[1] https://twitter.com/teammareliberum/status/1436357599335694340