Gemeinsame Presseerklärung der Vereine Mare Liberum, MISSION LIFELINE und RESQSHIP

Der Berliner Verein Mare Liberum, die Dresdner Organisation MISSION LIFELINE und der Hamburger Verein RESQSHIP betreiben jeweils Schiffe für Seenotrettung und Beobachtungsmissionen auf dem Mittelmeer. Gemeinsames Ziel ist es, Leben zu retten und Menschenrechte durchzusetzen. Sie wurden von der zuständigen Berufsgenossenschaft über eine rechtliche Änderung aus dem Verkehrsministerium informiert, die den Einsatz ihrer Boote blockiert und sie praktisch stilllegt. Mare Liberum, MISSION LIFELINE und RESQSHIP wenden sich gemeinsam gegen die Blockade ihrer Einsätze für Geflüchtete. Sie verurteilen die perfide Sabotage ihrer Menschenrechtsarbeit und fordern die Rücknahme der Verordnungsänderung, denn aus der offiziellen Begründung geht klar hervor, dass die verschärften Regeln zielgenau humanitäre Organisationen treffen soll. 

Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) änderte die Seesportbootverordnung und die Schiffssicherheitsverordnung in der Weise, die Yachten oder Kleinfahrzeuge, die „im Bereich des Umweltschutzes, der Seenotrettung, inklusive Beobachtungsmissionen, oder anderer humanitärer Zwecke“ eingesetzt sind, ab sofort mit derart strengen Sicherheitsanforderungen überzieht, dass sie praktisch nicht erfüllt werden können.   

Damit reagiert das BMVI auf das von Mare Liberum im vergangenen Jahr in zwei Instanzen gewonnene Gerichtsverfahren, in dem sich der Verein erfolgreich gegen die Festsetzung seines Schiffes gewehrt hatte. Nach neuer Rechtslage werden alle Schiffe, die für humanitäre Zwecke eingesetzt werden hinsichtlich Bauweise, Ausrüstung und Besatzung der Schiffe mit Sicherheitsanforderungen konfrontiert, denen sie nicht ohne Weiteres nachkommen können. Die Boote können jetzt nicht mehr auslaufen, es drohen zudem hohe Bußgelder. Diese Rechtsänderung, die das BMVI ohne Anhörung der betroffenen NGOs erlassen hat, verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen höherrangiges Recht. 

Nachweislich hat es seit Beginn der Rettungs- und Beobachtungsmissionen ziviler Schiffe am 1.7.2015, bei hunderten von Missionen, vielen tausenden Geretteten und hunderten von Einsatzkräften an Bord der Schiffe, nicht einen einzigen Unfall gegeben, der ein Crewmitglied an Leib oder Leben geschädigt hätte. Dies zeigt mit welcher enormen Sorgfalt die Organisationen und Privatpersonen vorgehen. Den Einsatz von Rettungsschiffen mit überzogenen Sicherheitsanforderungen zu verhindern ist zynisch gegenüber Flüchtenden, die sich in akuter Seenot befinden und auf Rettung hoffen. Laut Internationaler Organisation für Migration sind in 2020 mindestens 268 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken.

Die Änderungen zeichnen eine beunruhigende Parallele zum Vorgehen der Niederlande gegen zivile Seenotrettungsschiffe unter deren Flagge. Auch dort wurde zunächst der Einsatz von kleineren, als Sportboot registrierten Rettungsschiffen verboten, anschließend wurden durch eine weitere Gesetzesänderung auch große, als Frachtschiff registrierte Rettungsschiffe zum Flaggenwechseln gezwungen. So erklären auch die Seenotrettungsorganisationen Sea-Watch und Sea-Eye, dass sie sich bedingungslos hinter die betroffenen Organisationen stellen. 

„Wir sind nach der Aufhebung der Corona-Beschränkungen in Griechenland bereit zum Auslaufen, werden daran jedoch vom deutschen Staat gehindert. Die zuständige Behörde informierte uns, dass die neuen Restriktionen gegenüber Mare Liberum angewandt werden. Ziel der neuen Verordnung ist schlicht, unsere Einsätze zu verhindern. Anscheinend sieht Andreas Scheuer lieber Menschen im Mittelmeer ertrinken, als dass sie Europa lebend erreichen. Die Änderung ist sofort zurückzunehmen.“

Hanno Bruchmann, Vorstandsmitglied von Mare Liberum

„Unter dem Radar der Öffentlichkeit ziehen die CSU-geführten Ministerien heimlich einen Knüppel nach dem anderen aus dem Sack, um uns ins Straucheln zu bringen. Das ist so perfide wie feige. Seenotrettung ist Verpflichtung. Wer sie behindert, hat sich von humanitären Werten verabschiedet. Versuche wie diesen gibt es, so lange es uns gibt. Wir lassen uns davon nicht beirren. Wir werden wieder auslaufen.“

Axel Steier, Vorstand von MISSION LIFELINE

“Die neugefassten Verordnungen sind nicht nur rechtswidrig und unverhältnismäßig. Das Verkehrsministerium schafft damit auch aus moralischer Sicht einen neuen Tiefpunkt, indem es humanitäre Hilfe mit einem vorgeschobenen Argument zu verhindern versucht. Dabei sind es gerade die zivilen Organisationen, die für mehr Sicherheit auf See sorgen und sich für die Einhaltung des See- und Völkerrechts zum Schutz von Menschenleben einsetzen.”

Stefen Seyfert von RESQSHIP

Mare Liberum i. A.

Gneisenaustraße 2a
10961 Berlin